Music Business

Wie man ein Entertainmentsklave wird

29.01.10 Die Castingvereinbarung für "The X-Factor"

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myoon: Wie man ein Entertainmentsklave wird

Man mag von Castingsshows wie DSDS oder Popstars & Co. halten was man will.
Freakshow, große Abendbespassung, Karneval der Verblödung oder Karrieresprungbrett für Talente, die Meinungen darüber mögen unterschiedlich sein – das Kalkül der Produzenten ist dagegen knallhart, wie die Castingvereinbarung (pdf) für den im Sommer auf VOX und RTL anlaufenden "The X-Factor" beweist.

Die versprochene “Karierre im Musikbusiness” wird nur dann "gewährleistet", wenn die Teilnehmer jegliche Rechte abtreten und bereit sind sich als Entertainmentsklaven dem Diktat der Quotenjunks bedingungslos zu unterwerfen. Die Anwälte der als Produzent agierenden Grundy Light Entertainment GmbH haben jedenfalls gute Arbeit geleistet und ein perfekten Knebelvertrag aufgesetzt. Aber vorher wird dem Teilnehmer noch einmal ordentlich Honig ums Maul geschmiert, wobei man eventuell schnell in Versuchung gerät die einzelnen Punkte einfach zu überspringen und gleich zu unterschreiben.

"Während einer mehrmonatigen Auswahlphase sowie sich anschließende Live-Shows erhalte ich die Chance, als neuer Musikstar ins Rampenlicht zu treten und in der Musikbranche professionell betreut zu werden."

Klar, Stars wollen wir doch alle werden, was muss man also dafür tun? Meine Seele dem Entertaimentteufel verkaufen? Kein Problem.

"Ich verpflichte mich mit meiner Unterschrift verbindlich zur Teilnahme an der Produktion."

Ein Zurück gibt es dann nicht mehr, wobei ich mich frage mit welchen rechtlichen Konsequenzen jemand rechnen muss, der zur grossen Vorführungsshow dann doch nicht erscheint. Kommt dann die Polizei und bringt ihn persönlich zur Show? Kann der Produzent mit einer Geldstrafe drohen oder schickt er die Unterhaltungsmafia los und es wird kurzer Prozeß gemacht?

"Sollte ich nach dem Casting zum „Bootcamp“ eingeladen werden, werde ich dem Produzenten schnellstmöglich auf eigene Kosten ein aktuelles polizeiliches Führungszeugnis sowie ein allgemeinmedizinisches Attest, ein Attest eines HNO-Facharztes (beide Atteste nach Vorgabe des Produzenten) übersenden und einen gültigen Reisepass vorlegen."

Das bedeutet dass der Produzent jegliche Informationen über eventuelle Straftaten (mögen es die kleinsten Vergehen sein) zur Verfügung stehen. Demgegenüber verpflichtet sich der Produzent nicht, diese Informationen auch für sich zu behalten und die Vermutung liegt nahe, dass er die Straftaten bei Bedarf den berüchtigten Medien zuspielt. Mal angenommen ein Teilnehmer wurde wegen Drogenbesitzes verurteilt, der Produzent hat diese Information auf dem Tisch liegen und ein Klatschmaulvetreter ruft an, um ein paar pikante Details über die Teilnehmer zu erfahren. Eine Drogenstory macht sich hinsichtlich der Berichterstattung immer gut. Wie hoch ist also die Wahrscheinlichkeit dass die Boulevardpresse diese Information nicht bekommt, nach der sie giert? Das gleiche gilt auch für Krankheiten. "Hey die hatte mal Krebs, wie geil. ". Aber weiter im Text.

"Ich übertrage auf den Produzenten auch alle Rechte für unbekannte Nutzungsarten."

Falls der Produzent zum Beispiel auf die glorreiche Idee kommen sollte, einen schrägen Gesang als Klingelton zu vertreiben, dann hat der Teilnehmer mit Gruselstimme zugestimmt. Jambastar ist schliesslich auch eine "Karriere im Musikbusiness".

"Interviews sind nur nach vorheriger Absprache gestattet. Sollte sich die Presse mit mir in Verbindung setzen, verpflichte ich mich, diese an die Presseabteilung von RTL oder VOX zu verweisen."

Der Teilnehmer verwirkt somit sein Recht auf eine freie Meinungsäußerung. Da stellt sich jemand vor ein Millionenpublikum, macht sich eventuell total zum Affen und dann darf er sich nicht einmal ohne Absprache gegenüber den Medien dazu äußern.

So und was fehlt noch um den Entertainmentsklaven zu vollenden? Genau die Regelungen bezüglich anfallender Reisekosten und einer möglichen Vergütung.

"Reisekosten (…) werden von dem Produzenten ausnahmslos nicht übernommen."

"Ich erhalte für meine Teilnahme an der Produktion und Rechteübertragungen keine Vergütung."

In der Vereinbahrung wird der Teilnehmer in die Pflicht genommen, ohne Anspruch auf irgendein Recht pochen zu können. Von Pflichten des Produzenten findet sich selbstverständlich nichts. Aber immerhin ist dieser dem Sender und der Gewinnmaximierung verpflichtet.
Freuen wir uns also auf die kommenden rechtlosen Stars und ihre Vorführung via VOX und RTL. Zum Fremdschämen sind wir schliesslich geboren.

via medienpiraten

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