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“Da ist etwas Grundfaul”

28.04.09 Gegen eine Verlängerung des Urheberschutz

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Anstatt das Urheberrecht endlich den neuen Gegebenheiten anzupassen, stimmte das europäische Parlament am 23.4. eine von der Musikindustrie geforderten Verlängerung der Schutzfristen für Werke von bisher 50 auf 70 Jahre zu. Zwar muss dieser Beschluss noch vom EU Ministerrat akzeptiert und durch eine zweite Lesung gewunken werden, aber die Weichen dafür sind wohl gestellt.

Das Hauptargument, das die Musikindutrie bei dieser Diskussion gern aus dem Ärmel zaubert ist: Wenn die Schutzfristen verlängert werden, dann bekommt der Künstler letztendlich mehr Geld. Doch ist dass wirklich so?

Gegen diese "Illusion" stemmt sich Martin Kretschmar, seinerseits Professor am Center for Intellectual Property Policy and Management der Universität Bournemouth. Er hat die Verlängerung durch eine Studie hinterfragt und einen Aufruf dagegen initiiert. In dem Interview "Da ist etwas grundfaul", begründet er warum eine Verlängerung dem Musiker nicht den erhofften Gewinn bringen wird.

"Das Urheberrecht schützt aber die Verwerter, nicht die Urheber selber. Entscheidend dafür, wie viel Geld ein Autor verdient, ist die Marktstruktur. Es gibt ein Überangebot an Autoren und Künstlern, und es gibt mächtige Verwerter, die Rechte anhäufen. Nur sehr etablierten Autoren und Superstars gelingt es, mit diesen Verwertern ein gutes Honorar auszuhandeln."

Weiterhin sieht Kretschmar die kulturelle Vielfalt bedroht.

"Die Verlängerung würde die kulturelle Vielfalt einschränken. Wenn die Schutzfrist abgelaufen ist, gibt es Wiederauflagen, zum Teil als überarbeitete so genannte Re-masters, die in Konkurrenz zur Originalausgabe angelegt sind, meistens jedoch als Neuveröffentlichungen von Aufnahmen, die gar nicht mehr verfügbar in den Archiven schlummerten. Diese Vielfalt würde durch die Verlängerung um 45 Jahre verschoben. Es gibt in Europa eine sehr innovative und reichhaltige Kleinindustrie, die sich auf Wiederveröffentlichungen spezialisiert hat. In den USA gibt es sie nicht, weil dort die Schutzdauer 95 Jahre beträgt. Auf die Schätze der 1950er und 60er Jahre sollten wir nicht noch ein halbes Jahrhundert warten."

Kretschmar will bis zur zweiten Abstimmung im europäischen Parlament Überzeugungsarbeit leisten. Zwar ohne starke Lobby im Rücken, dafür mit wissenschaftlichen Wind in den Segeln. Ob der zuständige EU-Kommissar MC Creevy diesmal davon Notiz nimmt, wird sich zeigen.

via netzpolitik

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